Selbstmotivation – und damit zusammenhängend Selbstverantwortung – fordern viele Unternehmen von ihren Mitarbeitern in Zeiten von “New Work” bzw. des digitalen Wandels unserer Arbeitswelt.
Doch ist es wirklich möglich, allein von außen durch Anreize motiviert zu werden, um dann auch intrinsisch motiviert zu sein? Ich glaube, dass sich Selbstmotivation nur durch “Inner Work” und aus eigenem Willen einstellen kann. Doch wie lässt sich dieser Gedanke auf unsere gelebte Arbeitswelt übertragen?
Es ist natürlich wundervoll, wenn wir unserer täglichen Arbeit mit Interesse und Hingabe nachgehen. Im Idealfall gehen wir einer Arbeit nach, die uns erfüllt und unseren Stärken und Potenzialen entspricht. Doch wie realistisch ist dieses Bild wirklich, wenn man sich die Mitarbeiterzufriedenheit in deutschen Unternehmen anschaut? Laut dem Gallup Engagement Index 2018 haben nur knapp 15 Prozent der Mitarbeiter eine emotionale Bindung zu ihrem Unternehmen – oder, von einer anderen Seite betrachtet: 3 von 4 Mitarbeitern machen nur “Dienst nach Vorschrift” (vgl. Pressemitteilung zum Engagement Index 2018). Vielleicht haben sich diese Ergebnisse im Zuge der Covid-19-Krise und finanziellen Herausforderungen mancher Erwerbstätiger etwas verschoben, doch auch vor diesem Hintergrund scheint wahre Selbstmotivation im Beruf eher ein Einzel- denn Regelfall in deutschen Unternehmen zu sein.
Worauf basiert eigentlich Selbstmotivation?
In der Lernpsychologie unterscheidet man zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation: Extrinsische Motivation basiert auf äußeren Reizen wie z. B. einer Belohnung, die in Aussicht gestellt wird (man denke an eine Gehaltserhöhung). Viele Incentivierungs-Systeme für Mitarbeiter basieren auch heute auf genau dieser Logik, so eben die Gehaltserhöhung bzw. Beförderung für sehr gute Leistungen. Natürlich ist dieses extrinsische Motivationssystem wirkungsvoll, aber nicht nachhaltig. Denn die äußeren Reize greifen eher kurzfristig, da sie nicht um ihrer selbst willen erfüllt werden, sondern von außen vorgegeben sind. Ein Beispiel hierfür sind die geführten Zielerreichungssysteme (MbO, Management by Objectives) in Unternehmen, die eigentlich nur durch monetäre Anreize motiviert werden. Das zugrunde liegende Menschenbild ist eines, das aus der Nachkriegszeit stammt: Der Mensch lebt vom Brot allein, materielle Anreize seien also der primäre Motivator. Mit Blick auf die Maslowsche Bedürfnispyramide müssen wir konstatieren, dass wir uns damit in der Bedürfnishierarchie des Menschen auf einer der unteren Ebenen befinden: Das Gehalt können wir getrost den reinen Sicherheitsbedürfnissen zurechen – und damit Stufe 2 (direkt nach den Grund- oder Existenzbedürfnissen) von insgesamt 5 Bedürfnisstufen.
Selbstmotivation basiert dagegen auf der so genannten intrinsischen Motivation. Hierbei handelt es sich um Aufgaben bzw. Tätigkeiten, die wir gerne tun, die uns sinnvoll erscheinen, uns interessieren und inhaltlich “fordern”. Also wachsen lassen. Unsere Motivation für eine Aufgabe, ein Lernfeld oder Thema entsteht also in unserem Inneren. Äußere Anreize wie z. B. Geld spielen dabei kaum eine Rolle. Maslow würde die intrinsische Motivation als Äquivalent zum höchsten Bedürfnis in seiner Bedürfnishierarchie verorten – wer intrinsisch motiviert ist, gibt seinem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung Raum. New Work möchte gerade – bei allem Blick auf die wirtschaftlichen Notwendigkeiten, die es in jeder Unternehmung gibt – auch diesem Set an Werten Anerkennung verleihen. Und das entspricht einem modernen Menschenbild.
Wie lässt sich nun dieser Gedanke, dass wahre Selbstmotivation nur im Inneren von uns entstehen kann, auf die Arbeits- und Unternehmenswelt übertragen, die nach wie vor (und trotz aller Lippenbekenntnisse) in der Mehrzahl eher auf äußere Incentivierungs-Systeme setzt?
Die Antwort liegt auf der Hand: Neben den extrinsischen Motivationsfaktoren müssen auch intrinsische Motivationsfaktoren in Mitarbeiter-Anreizsysteme einfließen, wenn der Wunsch nach wirklich nachhaltig motivierten Mitarbeitern das Ziel ist und in die Unternehmenskultur passt.
Konkret kann das gelingen, wenn man bei der Besetzung von Vakanzen weniger auf die so genannten rein “fachlichen Kompetenzen” bei Kandidaten schaut, sondern stattdessen ein stärkenbasiertes Auswahlverfahren einführt. Dies würde auch die Chance für Quereinsteiger, M-Shape-Profile oder so genannte “Scanner-Persönlichkeiten” bzw. Vielbegabte erhöhen. Diese könnten ihre Vielfalt in die Unternehmen einbringen, denn der radikale Wandel des Arbeitsmarkts sowie die steigende Komplexität benötigen neben dem Experten vor allem auch Mitarbeiter mit hoher Flexibilität, Adaptionsfähigkeit und einem Blick für die übergeordneten Zusammenhänge. Scanner-Persönlichkeiten verkörpern mit ihrer Multi-Begabung genau diese Fähigkeit und sind keineswegs nur eine Randerscheinung.
Für ein stärkenbasiertes Auswahlverfahren müsste der gelebte HR-Recruiting-Prozess allerdings ernsthaft adaptiert werden, denn mit dem klassischen Kompetenzprofil (= Basis für die Stellenausschreibung) für eine neue Rolle lassen sich zwar vielleicht noch gut z. B. die notwendigen digitalen Kompetenzen eines Kandidaten abfragen, doch nicht seine Stärken. Hierfür gibt es aber längst Testverfahren wie z. B. CliftonStrengths, die ebenfalls von Gallup entwickelt worden sind.
Dass eine stärkenbasierte Führungskultur, ehrliche Fehlerkultur und generelle Agilität samt ihrer Delegation von “Macht” in die Teams innerhalb eines Unternehmens geradezu Garanten für Mitarbeiterzufriedenheit und Wettbewerbsfähigkeit am Markt sind, haben schon unzählige renommierte Beratungsfirmen betont. Was von fast allen Firmen zwar beklatscht wird, wird allerdings nur von wenigen wirklich konsequent umgesetzt.
Neben der Veränderungsbereitschaft von Unternehmen als Voraussetzung heißt es aber auch für uns als Bewerber, Mitarbeiter oder Selbstständige, diesbezüglich “Inner Work” zu betreiben. Damit meine ich, dass wir uns unserer Stärken und Potenziale bewusst werden müssen, um diese dann als “Personal Brand” wirkungsvoll kommunizieren zu können, um dann die richtigen Adressaten zu finden: Firmen, in denen wir wirklich etwas verändern können, sowie Kunden, für die wir als Auftragnehmer das Beste erreichen können.
Das alles erfordert eine ehrliche Reflexion, oft auch die Auseinandersetzung mit limitierenden Denkmustern, sowie den Mut, neue Wege zu gehen, die so noch nicht gegangen worden sind.
Als Coach kann ich aus Erfahrung sagen: Wenn wir für uns wirklich klar haben, was unser “WHAT” ist, also unsere Stärken, Skills, Kompetenzen und Lieblingstätigkeiten, und unser “WHY” – also die Triebfeder, die uns jeden Morgen mit Freude aufstehen und arbeiten lässt …dann können wir auch ehrlich mit der Suche nach unserer Berufung starten und Erfüllung in unser Berufsleben bringen.
Für uns alle und für Unternehmen bietet also die Fokussierung auf Stärken ein Win-Win.
Dann wird Selbstmotivation aus meiner Sicht auch nachhaltig möglich sein. Ein Weg liegt zwar noch vor uns – doch es ist möglich!
Svenja
P. S. Hör´ dir auch meine aktuelle Podcast-Folge zu diesem Thema auf iTunes oder Spotify an.